Schon öfter habe ich mitbekommen, dass in Großbritannien, im Land der Debattierclubs, eine andere Debattenkultur herrscht. Ein weiterer wichtiger Bestandteil britischer Rhetorikkunst sind die wöchentlichen Questions to the Prime Minister, bei denen der Premierminister dem House of Commons Rede und Antwort steht – und bei denen es auch mal hoch her gehen kann.
Ein Jahr Schlaf in der Analyse.
Seit einem Jahr messe ich meinen Schlaf. Mit der App SleepCycle analysiere ich dazu meine Bewegungen auf der Matratze im Schlaf und bestimme anhand derer meine Schlafphasen. Neben Informationen wie Zubettgehzeit und Aufwachzeit (und dadurch Schlafzeit) kann SleepCycle auch die Qualität des Schlafes beurteilen. Intelligentes Aufwecken ist so möglich.
Der Unterschied zwischen Frankreich und Nigeria
Im Atlantic schrieb Matt Schiavenza einen interessanten Kommentar dazu, weshalb die Reaktionen auf die Anschläge von Paris und die von Boko Haram in Nigeria so unterschiedlich ausfallen.
Schiavenzas Hauptargument ist:
»The main difference between France and Nigeria isn’t that the public and the media care about one and not the other. It is, rather, that one country has an effective government and the other does not.«
Ja, in Frankreich werden solche schrecklichen Anschläge weniger erwartet, die Regierung und Gesellschaft ist stabiler.
Doch ich bin mir unsicher, ob das wirklich der ausschlaggebende Grund ist. Ich vermute viel mehr, dieser liegt verborgener, unterbewusster.
Dadurch, dass so wenige Journalist*innen wirklich hautnah berichten (können), haben Geschehnisse weniger Möglichkeiten, zum einen an der Filterbubble (in einer Podcastfolge sprachen Timm und ich einmal darüber) von europäischen Journalist*innen, andererseits an unserer eigenen vorbei zu kommen. Wir bekommen es schlichtweg nicht mit.
Zudem greifen dieselben Mechanismen, die uns bei Katastrophen in fernen Ländern häufig Fragen lassen, wie viele Deutsche unter den Opfern waren: Wir können uns in einen Franzosen oder eine Französin besser hineinversetzen als in eine*n Nigerianer*in. Es betrifft uns mehr, denn es ist näher und wir wissen eher, wie er*sie lebt, und wir empfinden es als realer.
Das ist tragisch. Doch es darf, vor allem auf journalistischer und politischer Bühne, nicht sein. Wie man versuchen kann, dieses zu umgehen, darüber schrieb ich letztens.
Charlie Hebdo: Rassismus?
Bereits kurz nach dem schrecklichen Terroranschlag auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo mehrten sich Stimmen, die angeblichen Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Homophobie in den publizierten Karikaturen Karikaturen anprangerten.
Mit diesen Beschuldigungen auseinander setzt sich die Website Understanding Charlie Hebdo, auf der französischsprachige Akademiker die einzelnen Zeichnungen detailgenau analysieren – und hierbei auch Zusammenhänge offenbaren, die nicht-französischensprachigen Leser*innen oder nicht an französischer Politik Interessierten nicht auffallen.
Ihren Beschreibungen nach waren (und sind) die Schreiber*innen und Zeichner*innen von Charlie Hebdo alles andere als rassistisch, sexistisch, islamophob oder homophob.
Vielmehr nutzen sie bestehende rassistische Steoreotypen und echauffieren sich darüber humoristisch, so wie es etwa auch South Park macht.
Ihr Umgang mit Religion, Fanatismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamismus und ähnlichem war, durch seine Überspitzung auf die Sinnlosigkeit dieses ausgrenzenden Gedankenguts hinzuweisen.
Das mag zwar manchmal derbe und krass aussehen, ich finde jedoch vor allem als Mittel der Satire und des humoristischen Umgangs mit (vermeintlichen) Tabus die krasse Überzeichnung und komplette Zuspitzung ein probates Mittel, um so auf Missstände und Denkfehler hinzuweisen. Es regt zum Denken an.
Zudem: Der ermordete Chefredakteur Stéphane ‘Charb’ Charbonnier hat eine Karikatur für ein Plakat der antirassistischen Organisation MRAP beigesteuert.
P.S. Auch Dominique Sopo von der französischen antirassistischen Organisation SOS Racisme denkt so.
Nachtrag: Einen sehr guten Kontrapunkt machen Tim Parks in The New York Review of Books und Joe Sacco im Guardian.
Es ist einfach, Mehrheit zu sein.
Es ist sehr leicht, sich als weißer, heterosexueller, europäischer Cis-Mann mit einem kalten Bier in der Hand zurückzulehnen; sich selbst zwischen zwei Schlücken aus der Flasche zu sagen »Die sollen sich mal nicht so anstellen! Wenn die so wären wie jeder andere auch, normal, dann hätten die diese Probleme doch gar nicht!«.
Es ist so leicht, all das Unrecht und das Leid nicht zu sehen, das täglich geschieht. Es ist viel schwieriger, sein Handeln zu reflektieren, sich mit Ausbeutung, Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung und ihren Mustern und Mechanismen zu beschäftigen, sie, wo und wann sie auftreten, zu erkennen und dann aktiv zu versuchen, sie zu tilgen.
Ingroup vs. Outgroup: Wen streicheln?
Gesellschaftlich wurde schon immer über Grenzen definiert, wer zu ihr gehört und wer nicht. Seit der ersten Bildung von Stämmen bestimmen diese gesellschaftlichen Konstrukte, die aus vielen einzelnen kulturellen Werten, Normen und Traditionen (und sprachlichen Nuancen) bestehen, wer dazu gehört – und wer nicht.
2014 – Ein Fazit.
2014 meinte es ziemlich gut mit mir. Nicht, dass ein Jahr selbst etwas meinen – oder gar planen – kann, doch ich bin nicht scheu zu sagen: 2014 war mein bisheriges Lieblingsjahr. Ein Jahr doch wie eine dieser Episoden einer guten Serie, in der verschiedene Handlungsstränge und -fäden sich zusammenfügen um dem Zuschauer das große Ganze, den geheimen Plan der Schreiber, zu offenbaren.
Meditation.
Vor einigen Wochen schenkte mir mein bester Freund ein Buch: Mindfulness In Plain English des buddhistischen Mönchen Henepola Gunaratana. Ich wusste, dass er bereits seit einigen Jahren meditiert und wir hatten in der Woche zuvor darüber gesprochen. Er gab mir das Buch zusammen mit einem Verweis auf einen Artikel von ihm.
Ich hatte mich bereits zuvor ein wenig mit dem Buddhismus beschäftigt und dadurch auch gröberes Wissen von Meditation, aber eine weitere Beschäftigung fand nicht statt. Bis jetzt.
In Island ist die Sonne kalt.
Im August flog ich für zwei Wochen nach Island, der Vulkaninsel kurz vor dem Polarkreis. Von Reykjavík, der nördlichsten Hauptstadt der Welt, fuhren wir zehn Tage im Mietwagen die einmal um die Insel führende Ring Road entlang. Einige Beobachtungen.
Das beste Europa, das wir kennen.
Vorige Woche sah ich eine Rede von Dr. Navid Kermani, die er anlässlich des 65. Geburtstages des Grundgesetzes vor den Abgeordneten des Bundestages hielt. Er lobte stark und überschwänglich den Weitblick der Mütter und Väter des Grundgesetzes. Er kritisierte die deutsche Asylpolitik, ja, aber er lobte die Grundrechte, die unsere Verfassung festschreibt. Er wies darauf hin, dass noch nicht alle im Grundgesetz verankerten Prinzipien in gebührendem Rahmen umgesetzt sind, doch kam, nachdem er die unmittelbare Vergangenheit Europas dargelegt hatte, Nationalismus und Schützengräben, Kalter Krieg und Berliner Mauer, zum Schluss: Wir leben im besten Europa, das wir kennen.
Ich dachte darüber nach, aber vergaß die Rede schnell wieder.