Denkt niemand an die Tiere?

»Aber das ist doch meine persönliche Entscheidung!«

Jeder Tierrechtler hat in einer Diskussion sicherlich schon einmal das Argument gehört, der Konsum von tierlichen Produkten eine persönliche Entscheidung sei – also eine nur dem Einzelnen obliegende Privatsache. Und man sollte doch, ganz wie er schließlich uns respektiert, dieses auch umgekehrt tun.

Dass dieser Vergleich so nicht stimmt, lässt sich an einem Beispiel erörtern.

Nehmen wir eine theoretische Situation an: Jemand wird von Malcolm X, dem amerikanischen Bürgerrechtler, eingeladen. Während des Besuchs äußert sich dieser abfällig über Dunkelhäutige. Er meint, dass er Malcom Xs Anliegen zwar löblich findet, dass eben er doch auch akzeptieren müsse, dass es andere Meinungen gäbe, wie etwa das Kategorisieren von Menschen anhand von ›Rassen‹.

Wie hätte Malcolm X reagiert?

Dass Tierrechte keine ‘persönliche Entscheidung’ sind, lässt sich leicht zeigen, indem man sich ansieht, was gemeinhin unter einer solchen verstanden wird..

Persönliche Entscheidung bedeutet, dass ich morgens entscheide, ob ich das blaue oder das schwarze T-Shirt anziehe. Nur ich allein bin betroffen. Ich würde mir nicht anmaßen, das T-Shirt für meinen Nachbarn herauszusuchen. Der Nachbar hat schließlich ein Interesse daran, sich selbst seine Shirts rauszulegen. (Und vielleicht trägt er eh lieber Hemden?)

Also: persönliche Entscheidungen betreffen nur uns und keinen anderen. Sie betreffen nur unsere eigenen Interessen. Somit ist der Konsum von Tierprodukten keine persönliche Entscheidung. (Dass dabei Tiere für meinen Konsum getötet werden und somit noch andere Interessen als meine berücksichtigt werden müssen, ist an dieser Stelle selbsterklärend.)

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Denkt niemand an die Tiere?

Wie ich keine Tiere mehr aß.

Ich aß durch eine Mutprobe kein Fleisch mehr. Die Aufgabe war, eine Woche lang das zu tun, was man sich selbst nicht zutraut: in meinem Fall der Verzicht auf Fleisch.

Ich habe früher sehr viel Fleisch gegessen. Ich war diese Art von Student, die sich aus dem Automaten in der Cafeteria eine trockene Frikadelle gekauft hat. Und ich sollte allen Ernstes eine Woche lang darauf verzichten?

Der erste Tag war einfach. Ich machte mir Bratkartoffeln, das weiß ich noch.

Mir war natürlich schon länger klar, dass es einige kluge Köpfe gab, die kein Fleisch aßen. So wie das jeder weiß. Das Image von Vegetariern, das mir in den Medien vermittelt wurden, war teils radikal, teils einfach nur ins Lächerliche gezogen. Ich erinnerte mich an Lisa Simpson die sich in einen Greenpeace-Aktivisten verliebt und an die Kurzzeitfreundin von Ted Mosby in How I Met Your Mother, Strawberry, die beim Sushiessen dem Koch den Inhalt ihres Glases ins Gesicht schüttet.

Trotzdem wollte ich wissen, aus welchen Gründen Menschen eben jenes taten, das ich als Mutprobe verstand. Ich durchsuchte das Internet, las einige Texte und Statements, stieß dann auf Earthlings und war geschockt. Es gab selten einen Film, der mich mehr mitgenommen hat.

Ich entschied, dass dies keine Mutprobe mehr war. Nicht mehr sein konnte. Ich hatte jetzt ein Bild vor Augen. Jetzt war es eine emotionale Angelegenheit. Ich las Peter Singers ‘Animal Liberation’. Spätestens danach war ich überzeugt: ich ernähre mich nicht nur ohne Fleisch, ich werde Vegetarier.

Ich probierte aus. Schnell bemerkte ich, dass ich eigentlich auf wenig verzichtete. Als jemand, für den früher Gemüse die zwei mehligen Kartoffeln in angedickter Soße neben dem Schnitzel gewesen waren, ab und an noch begleitet von verkochten Erbsen und Möhrchen, erlebte ich eine Geschmacksexplosion. Brokkoli schmeckt ja tatsächlich! Von Zucchini sterbe ich nicht.

Als ich mich dann eine ganze Woche nur von Käsebrot, Spiegel- und Rührei ernährte, bemerkte ich, wie paradox mein Verhalten war: Ich tauschte oftmals nur ein tierisches Produkt gegen ein anderes aus. Keinem Tier ging es durch mich besser.

Ich hatte zu dieser Zeit in Berlin Freunde, die gerade Veganer wurden. Als ich einmal bei ihnen zu Besuch war, unterhielten wir uns lange darüber. Doch das einzige, was mir im Kopf blieb war: »Du kannst keine Mayo mehr essen.« Aber ich liebe doch Mayo!

Noch mehr Verzicht? Ich begann, wann immer ich auf tierische Produkte ‘verzichten ‘konnte, keine mehr zu konsumieren und wenn es sich nicht vermeiden lässt, eben doch mal ein Käsebrötchen zu kaufen. Da war es wieder, dieses Wort: Verzicht.

Anfangs klappte es. Doch irgendwann stand ich um 9.30 Uhr bei McDonald’s an der Kasse und bestellte mir ein Käsetoast zum Frühstück. »So kann es nicht weiter gehen«, dachte ich. Der Umstieg würde nur mit einem glatten Schnitt klappen.

Manchmal ist es nicht einfach, eigene Überzeugung und eigenes Händeln unter einen Hut zu bekommen. Doch ich wusste, dass es mir unmöglich würde, wenn ich nicht konsequent wäre. Und so kam es, dass ich nicht mehr bewusst Tiere esse.

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