Schöne Sätze

“Menschen werden wie Nummern behandelt.”

Schließlich muss ich noch einmal Erich Fromm zitieren, der mich mit “Die Seele des Menschen” geprägt hat und damit eine neue Leidenschaft angefacht hat: Psychologie. Hier ein Abschnitt, der in vollem Maße meine Meinung trifft.

Unsere Einstellung zum Leben wird immer mechanischer. Unser Hauptziel ist es, Dinge zu produzieren, und im Zug dieser Vergötzung der Dinge verwandeln wir uns selbst in Gebrauchsgüter. Die Menschen werden wie Nummern behandelt. Es geht nicht darum, ob sie gut behandelt und ernährt werden (auch Dinge kann man gut behandeln); es geht darum, ob Menschen Dinge oder lebendige Wesen sind. Die Menschen finden mehr Gefallen an mechanischen Apparaten als an lebendigen Wesen. Die Begegnung mit anderen Menschen erfolgt auf einer intellektuell-abstrakten Ebene. Man interessiert sich für sie als Objekte, für die ihnen gemeinsamen Eigenschaften, für die statistischen Gesetze des Massenverhaltens, aber nicht für lebendige Einzelwesen. All dies geht Hand in Hand mit einer ständig zunehmenden Bürokratisierung. In riesigen Produktionszentren, in riesigen Städten, in riesigen Ländern werden die Menschen verwaltet, als ob sie Dinge wären; die Menschen und die, welche sie verwalten, verwandeln sich in Dinge, und sie gehorchen den Gesetzen von Dingen. Aber der Mensch ist nicht zum Ding geschaffen; er geht zugrunde, wenn er zum Ding wird, und bevor es dazu kommt, gerät er in Verzweiflung und möchte das Leben abtöten.
Im bürokratisch organisierten und zentralisierten Industriestaat wird der Geschmack dergestalt manipuliert, daß die Leute auf vorauskalkulierbare und gewinnbringende Weise möglichst viel konsumieren. Ihre Intelligenz und ihr Charakter wird durch die ständig zunehmende Rolle von Tests standardisiert, welche den Mittelmäßigen und das Wagnis Vermeidenden vor den Originellen und Wagemutigen den Vorrang einräumen. Tatsächlich hat die bürokratisch-industrielle Zivilisation, die in Europa und Nordamerika den Vorrang gewonnen hat, einen neuen Menschentyp geschaffen, den man als den Organisationsmenschen, den Automatenmenschen und als homo consumens bezeichnen kann. Er ist außerdem ein homo mechanicus, worunter ich einen menschlichen Apparat verstehe, der sich von allem Mechanischen angezogen und von allem Lebendigen abgestoßen fühlt. Zwar ist der Mensch von der Natur mit so starken biologischen und physiologischen sexuellen Trieben ausgestattet, daß selbst der homo mechanicus noch sexuelle Begierden hat und sich nach Frauen umsieht. Aber andererseits ist nicht zu bezweifeln, daß das Interesse des Automatenmenschen an den Frauen abnimmt. Eine New Yorker Karikatur weist treffend darauf hin: eine Verkäuferin, die einer jungen Kundin ein bestimmtes Parfüm verkaufen möchte, empfiehlt es ihr mit den Vi’orten: »Es riecht wie ein neuer Sportwagen.« Jeder, der heute das Verhalten der Männer aufmerksam beobachtet, wird bestätigen, daß diese Karikatur mehr ist als ein guter Witz.. Offensichtlich gibt es heute sehr viele Männer, die sich mehr für Sportwagen, für Fernseh- und Radiogeräte, für Raumfahrt und alle möglichen technischen Spielereien interessieren als für Frauen, Liebe, Natur und ein gutes Essen. Die Beschäftigung mit nichtorganischen, mechanischen Dingen stimuliert sie stärker als das Leben. Es ist nicht einmal allzu abwegig zu vermuten, daß der Stolz und die Begeisterung des homo mechanicus über Geräte, die Millionen von Menschen auf eine Entfernung von mehreren tausend Meilen innerhalb von Minuten töten können, größer ist als seine Angst und Niedergeschlagenheit über die Möglichkeit einer solchen Massenvernichtung. Der homo mechanicus genießt noch den Sex und den Drink, aber er sucht diese Freuden in einem mechanischen und unlebendigen Rahmen. Er meint, es müsse da einen Knopf geben, den man nur zu drücken brauche, um Glück, Liebe und Vergnügen zu erhalten. (Viele gehen zum Psychotherapeuten mit der Illusion, er könne ihnen sagen, wo so ein Knopf zu finden ist.) Ein solcher Mann betrachtet die Frauen mit denselben Augen, mit denen er ein Auto betrachtet.

Standard
Rezension

Was macht den Menschen böse?

Dieser spannenden Frage ist vor einigen Jahrzehnten der Psychologe Erich Fromm nachgegangen und hat seine Erkenntnisse im dem Buch “Die Seele des Menschen” niedergeschrieben. Drei Faktoren konnte Fromm herausarbeiten, die zusammen das sogenannte “Verfallssyndrom” bilden.

Ein Faktor ist für Fromm Nekrophilie: die Liebe zum Toten. Er bezieht Nekrophilie nicht auf die sexuellen Gelüste, sondern zu dem Hintergrund: ein nekrophiler Mensch etwa ‘kann zu einem Objekt – einer Blume oder einem Menschen – nur dann in Beziehung treten, wenn er sie besitzt’. Nekrophile Tendenzen sind gegen das Leben gerichtet. Nekrophile Menschen streben nach Gewissheit; im Tode als einzig Gewisses sehen sie die Antwort. Jeder Mensch hat nekrophile und biophile – “biophil”: die Liebe des Lebendigen – Neigungen: ‘es kommt darauf an, welche der beiden Tendenzen dominiert’.

Eine gewisse Selbstliebe wohnt jedem Menschen inne, doch ist er normalerweise auf ‘das sozial akzeptierte Minimum reduziert’. Ist dieser Narzißmus stärker ausgeprägt, ist es dem narzißtischen Menschen unmöglich, sich in eine andere Person als die eigene hineinzuversetzen. Laut Fromm gibt es noch eine weitere, meiner Meinung nach um einiges Spannendere, Variante: der Gruppen-Narzißmus. Hier überträgt sich die Liebe auf eine Gruppe, etwa die Nation oder ‘Rasse’. Jeder Ursprung von Nationalismus oder religiösen Fanatismus ist Gruppen-Narzißmus und somit die ‘Überschätzung der eigenen Einstellung und de[r] Hass gegen alles, was davon abweicht’.

Zum Schluss geht Fromm auf eine gestörte Mutterbindung ein, die “inzestuöse Symbiose”. Kann ein Kind die Mutterbindung nicht überwinden, kommt es zu einer krankhaften Bindung. Bezieht sich die Mutter im Kindesalter auf die Person, die Geborgenheit und uneingeschränkte Liebe verspricht, können später andere Dinge zur “Mutter” werden. Hier liegt eine Verwandschaft zum Narzißmus vor.

Treten diese drei Phänomene gemeinsam auf, spricht Fromm vom “Verfallssyndrom”. Je größer diese Regressionsebenen – also das Streben auf alle diese Faktoren zu – bei einem Menschen ist, desto ‘böser’ ist er.

Standard