Rezension

Die unglaubliche Wandlungsfähigkeit des Nick Cave

Seit noch gar nicht allzu langer Zeit gehört der Singer-Songwriter Nick Cave zu meinem Stamm-Musikensemble. Ein Punkt, für den ich ihn mehr als die meisten anderen Musiker schätze, ist, dass er Künstler geblieben ist, während vielen dem schnellen Geld hinterhergelaufen sind. Cave versteht es, bei jedem Gig mit seinen Songs zu spielen, sodass jede Version anders klingt, ein anderes Element den Song ausmacht.

Eine eher langsamere Version hat Nick Cave 2004 in Portugal vorgetragen.

Eine schnellere Version gibt es hier – dazu noch mit Sprechgesang und verändertem Text:

Eine teilweise schnellere und aggressivere Version mit seiner Band “And The Bad Seeds”

Nicht nur Nick Caves Gabe, jeden Song immer und immer wieder zu verwandeln hat ihm eine große Ehrung eingebracht: ein Cover durch Johnny Cash.

Wow, der muss live noch mehr rocken. Wäre gerne dabei, wenn er sich in Deutschland rumtreibt. Musste mal gesagt werden.

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Was macht den Menschen böse?

Dieser spannenden Frage ist vor einigen Jahrzehnten der Psychologe Erich Fromm nachgegangen und hat seine Erkenntnisse im dem Buch “Die Seele des Menschen” niedergeschrieben. Drei Faktoren konnte Fromm herausarbeiten, die zusammen das sogenannte “Verfallssyndrom” bilden.

Ein Faktor ist für Fromm Nekrophilie: die Liebe zum Toten. Er bezieht Nekrophilie nicht auf die sexuellen Gelüste, sondern zu dem Hintergrund: ein nekrophiler Mensch etwa ‘kann zu einem Objekt – einer Blume oder einem Menschen – nur dann in Beziehung treten, wenn er sie besitzt’. Nekrophile Tendenzen sind gegen das Leben gerichtet. Nekrophile Menschen streben nach Gewissheit; im Tode als einzig Gewisses sehen sie die Antwort. Jeder Mensch hat nekrophile und biophile – “biophil”: die Liebe des Lebendigen – Neigungen: ‘es kommt darauf an, welche der beiden Tendenzen dominiert’.

Eine gewisse Selbstliebe wohnt jedem Menschen inne, doch ist er normalerweise auf ‘das sozial akzeptierte Minimum reduziert’. Ist dieser Narzißmus stärker ausgeprägt, ist es dem narzißtischen Menschen unmöglich, sich in eine andere Person als die eigene hineinzuversetzen. Laut Fromm gibt es noch eine weitere, meiner Meinung nach um einiges Spannendere, Variante: der Gruppen-Narzißmus. Hier überträgt sich die Liebe auf eine Gruppe, etwa die Nation oder ‘Rasse’. Jeder Ursprung von Nationalismus oder religiösen Fanatismus ist Gruppen-Narzißmus und somit die ‘Überschätzung der eigenen Einstellung und de[r] Hass gegen alles, was davon abweicht’.

Zum Schluss geht Fromm auf eine gestörte Mutterbindung ein, die “inzestuöse Symbiose”. Kann ein Kind die Mutterbindung nicht überwinden, kommt es zu einer krankhaften Bindung. Bezieht sich die Mutter im Kindesalter auf die Person, die Geborgenheit und uneingeschränkte Liebe verspricht, können später andere Dinge zur “Mutter” werden. Hier liegt eine Verwandschaft zum Narzißmus vor.

Treten diese drei Phänomene gemeinsam auf, spricht Fromm vom “Verfallssyndrom”. Je größer diese Regressionsebenen – also das Streben auf alle diese Faktoren zu – bei einem Menschen ist, desto ‘böser’ ist er.

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Synecdoche, New York.

Der hypochondrische Theaterregisseur Caden Cotard – benannt wohl nach dem Cotard-Symptom, bei dem ein Kranker glaubt, bereits tot zu sein – wird von seiner Frau, einer Malerin, zusammen mit ihrer gemeinsamen Tochter verlassen. Nach der Uraufführung einer Theaterinszenierung wird ihm mitgeteilt, dass er tatsächlich krank ist. Auch die Beziehung zu einer Kartenverkäuferin verläuft nicht wie gewünscht. Urplötzlich bekommt er den MacArthur-Preis verliehen. Das Preisgeld benutzt er dazu, in einer New Yorker Lagerhalle mit Schauspielern ein Abbild der Welt zu schaffen, wie er sie sieht: “die absolute Wahrheit”. Eine Parallelwelt wird erschaffen. Jeden Tag gibt er den Schauspielern Zettel, auf denen Schicksalsschläge oder andere Dinge stehen, die sie spielen sollen. Publikum gewährt er allerdings keinen Zutritt. Er gerät immer tiefer in den Sog hinein, Realität und Theater verwischen…

Philip Seymour Hoffmann als alternden, vereinsamten Regisseur zu sehen, der sich im Gegensatz zur Truman Show seine falsche Realität bewusst erschafft, hat etwas sehr Komisches an sich. In dem surrealen und traumähnlich wirkenden “Synecdoche, New York” spielt der Tod eine zentrale Rolle, begonnen im von Caden inszenierten Stück “Tod eines Handlungsreisenden” zu Anfang, über das brennende Haus bis zum Ende. Ohne den Hinweis aus dem Titel, den Film als rhetorische Synekdoche zu verstehen, in dem die einzelnen Teile für das Ganze stehen, würde man mit dem Film nicht recht warm werden. Gebannt und gefesselt lässt einen der Film in eine andere Welt eintauchen. Ich halte es einfach mit dem altbewährten David-Lynch-Spruch: “Accept the mystery.”

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Kurz zu den “Oscar”-Nominierungen

Gestern sind – das ist bekannt – die Oscar-Nominierungen für dieses Jahr bekanntgegeben worden. Zu einigen Kategorien wollte ich mich gerne äußern.

Actor in a Leading Role

Von den nominierten Personen habe ich nur George Clooney in “Up In the Air” spielen sehen. Allerdings fand ich ihn nicht oscarreif und auch nicht stark über Oceans-Eleven-Niveau. Jeff Bridges soll es verdient haben, sagen viele. Kenne ihn nur aus “The Big Lebowski” – da fand ich ihn ganz gut.

Actor in a Supporting Role

Hier kenne ich ebenfalls nur einen der Nominierten: Christoph Waltz in “Inglourious Basterds”. Fand ich, entgegen der landläufigen Meinung, nicht preisverdächtig und eher Durchschnitt. Würde mich aber für den europäischen Film freuen. In “Inglourious Basterds” hat mich übrigens Mélanie Laurent (hat die Shosanna Dreyfus gespielt) am meisten überzeugt. Die junge Schauspielerin wurde allerdings für keinen Oscar vorgesehen, ebensowenig wie Herr Brühl.

Zu Actress in a Leading Role kann ich gar nichts sagen. Ebenso schwer wird es bei Actress in a Supporting Role, wobei mir Vera Farmiga und Anna Kendrick beide in “Up In the Air” gefallen haben.

Überspringen wir einige Kategorien und landen bei Directing.

Von den nominierten Filmen habe ich drei gesehen. An Avatar hat mich die ständigbewegende Kamera gestört (ich denke, die 3D-Effekte werden der Fairness halber bei der Entscheidung nicht beurteilt). Inglourious Basterds fand ich handwerklich gut, vor allem das erste Kapitel, wo es um die versteckten Juden in Frankreich ging, war oscarreif; leider konnte der Film das hohe Anfangsniveau nicht halten. “Up In the Air” schlussendlich war nicht herausstechend, aber auch nicht schlecht. Würde es wohl letztendlich doch Tarantino zusprechen.

Music (Original Score)

Avatar fand ich gut, nicht weltklasse. “Up” war wohl so schlecht, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Davon abgesehen hat mich die Musik von “Up In the Air” überzeugt – leider nicht nominiert.

Music (Original Song)

Natürlich kommt es hier viel auf den filmischen Zusammenhang an, doch ich habe mir die Songs einfach mal angehört, ohne den Film zu kennen. “Wise Up” ist allein gesehen ein gutes Lied, im Kontext mit “Magnolia” gehört es für mich zu einer der besten Musik-Film-Ergänzungen, die ich kenne. Aber zu dieser Oscar-Verleihung: “Loin de Paname” ist sehr lieblich und trotz der Tatsache, das ich kein einziges Wort (abgesehen von “Paris”) verstehe, nett. “Almost There” aus dem Disney-Film “The Frincess & The Frog” ist einer der schlechteren Disney-Songs (nicht zu vergleichen mit alten Größen wie “Hellfire” oder “He Lives In You“). Der zweite nominierte Disney-Song ist “Down in New Orleans” und kann zwar schon mehr überzeugen als der erste, ist aber trotzdem nicht wirklich gut. “Take It All” aus dem Musical-Film “Nine” ist pure Musik – ich hoffe ich sage das nicht nur, weil dort mein Lieblingsschauspieler Daniel Day-Lewis die Hauptrolle übernommen hat. Und schließlich “The Weary Kind” aus Crazy Heart, wobei wir auch schon bei meinem Liebling wären. Weltklasse!

Dabei kann ich auch gleich einmal meckern: Dass die Musik von “Into the Wild”, “Gran Torino” und “Magnolia” keinen Oscar bekommen hat – Schade auf euer Haupt!

Best Picture

Die vielleicht schwierigste Kategorie. In diesem Jahr wurden gleich zehn Nominierungen vergeben. Folgende Filme habe ich gesehen: Avatar, “District 9”, “Inglourious Basterds”, “Up In the Air”, “Up”. Von diesen würde ich entweder “Up” oder “District 9” gewinnen lassen, könnte mir aber auch vorstellen, dass er unverdientermaßen an Avatar geht. “The Hurt Locker” soll auch gut sein.

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Up In The Air

Gestern war ich in Hamburg zur Vorpremiere des neuen George-Clooney-Films “Up In The Air” ins Streits eingeladen. In dem Film spielt Clooney einen Mitarbeiter einer Art Kündigungsagentur, deren Aufgabe es ist, Mitarbeiter anderer Unternehmen zu feuern. Er lebt im Flugzeug und in Hotels, ist fast nie Zuhause.

Themen werden viele aufgegriffen: Arbeitsplatzverlust durch neue Technologien, Wirtschaftskrise, Jung-vs-Alt, Fremdgehen, Familie, Einsamkeit in der Gesellschaft und modernes Leben an sich.

Resümee mal ganz schlicht:

  • Zach Galifianakis, bekannt aus “Hangover” (hier spielte er den bärtigen Alan), hatte eine (leider viel zu kurze) Rolle.
  • Der Soundtrack hat mir sehr gefallen.
  • Unterschwelliger Humor mit vielen kleinen Lachern und zwei, drei großen.
  • Laut Aussage meiner Begleitung war der Film nicht mit dem Buch zu vergleichen. Im Buch wurde eher auf das Erreichen der zehn Millionen Bonusmeilen eingegangen, im Film auf den Job eines Profi-Entlassers.
  • George Clooney hat das ganz gut gemacht, denke ich. Nicht überragend, aber gut.
  • Im Nachhinein konnten sich viele der Anwesenden in dem Charakter wiederentdecken.
  • Das Ende kam mir zu unerwartet und plötzlich.

Und einmal glaubte ich in dem Flugkapitän den Cowboy an der Bar aus “The Big Lebowski” entdeckt zu haben. Irre ich mich?

 

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Avatar und 3D

Gestern habe ich mir endlich Avatar in 3D anschauen können. Wie bei so vielen anderen auch war es mein erster Film in dieser relativ neuen Technik. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Avatar der Durchbruch in der 3D-Technologie sein könnte.

Zu erst einmal: Die Story ist recht dürftig (man hätte sich den Film sicher auch auf Ungarisch ansehen können und dennoch das meiste verstanden), dafür hatten es die Animationen von Pandora in sich.

Der 3D-Aha-Moment kam schon zu Anfang, als der Trailer von Tim Burtons neuestem Johnny-Depp-Films “Alice im Wunderland” gezeigt wurde. Der Effekt der sich immer weiter nähernden Grinsekatze war großartig, das beeindruckte “Uaach”-Gefauche im Kino deutlich hörbar. In Avatar auf diese Effekte fast gänzlich verzichtet. Nur in einzelnen Szenen sah man Blätter auf einen zukommen oder quallenartige Wesen. Einerseits gut, dass die Bilder nicht der neuen Technik wegen 3D-isiert werden, andererseits hätte man sich den Film sicher auch in 2D anschauen können und sogar die Hälfte des Eintrittsgeldes gespart. Gut, die Gesichter hoben sich vom Hintergrund ein wenig ab und ab und zu dachte ich zu sehen (nicht nur zu denken), welches Objekt vor einem anderen ist.

Entäuschung würde ich es nicht nennen. Für einen Samstag Abend war es recht gute Unterhaltung und 3D war etwas Neues und es war auch sicher nicht mein letzter Kinogang in 3D (ich, der ich eigentlich als Kinomuffel bekannt bin und 2007 letztmals in einem war). Allerdings fand ich einige Stellen ein wenig unscharf und denke, dass es auch anderen so gegangen sein müsste. Das hat mich ein wenig gestört.

Ich räume Avatar gute Chancen ein, bei unserer Generation einen ähnlichen Kultstatus wie in den 70ern “Star Wars” anzunehmen. Die Zeit wird es zeigen.

Avatar: 80/100 Punkten.
3D: 70/100 Punkten.

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