Empörung

Beurteilen

Immer wenn wir irgend etwas tun, beurteilen wir. Vergangene Nacht habe ich mir Gedanken gemacht, wie Beurteilungen von Aussagen und Handlungen funktionieren. Gerne möchte ich euch an meinen Gedanken teil haben lassen:

Aussagen

Eine Aussage steht alleine. Sie ist nur ein Teil einer Bedeutung, nicht die Bedeutung selbst. Derjenige, der die Aussage hört, kennt nicht die komplette Bedeutung desjenigen, der die Aussage tätigt. Doch, ohne diesen Hintergrund, diese Bedeutung zu kennen, beurteilt er die Aussage. Der Hörer richtet und nimmt an. Er beurteilt (weil er nur das beurteilen kann) nur das, was gesagt wurde ohne die ihm verschlossene Bedeutung und stützt seine Beurteilung auf eine Annahme. Diese wird sich nie mit der wahren Bedeutung gleichen, da hier viele emotionale und für andere Menschen nie erfahrbare Komponenten mit reinspielen.

Handlungen

Zuerst einmal sollte man festhalten, dass eine Handlung weder gut noch böse sein kann, sondern ausschließlich neutral. Gut und böse sind subjektive Faktoren, nach denen wir Handlungen kategorisieren, die allerdings bei jedem Menschen unterschiedlich sind. Begründung: Wenn die größte Missetat auch nur in den Augen einer einzigen Person nicht als solche erscheint, ist die vermeintliche Objektivität von Gut und Böse widerlegt. Auch hier wird wieder beurteilt: Die handelnde Person tut etwas aus ihr im Moment der Tat nachvollziehbaren Gründen – weil ihre Erfahrungen und widerfahrenen Muster keiner anderen Person gleichen. Doch die Person, die die Handlung sieht, tut auch nichts mehr als dies: ihr bleibt Hintergrund und Bedeutung verschlossen. Dennoch richtet und beurteilt sie.

Unser größtes Problem ist, dass wir einander nie verstehen können.

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Rezension

Sterben, um ewig zu leben – der Film “The Fountain”

Vorgestern habe ich “The Fountain” gesehen, ein Film von Darren Aronofsky mit Hugh Jackman und Rachel Weisz in den Hauptrollen. In ihm geht es vordergründig um eine Beziehung zweier Menschen, die allerdings im wahrsten Sinne des Wortes zum Tode verurteilt ist. Wie das mit Kunst – und so bezeichne ich den Film – ist, gibt es am Ende kein wahr und falsch, kein richtig und daneben. Darin geht es um das ewige Leben und das Streben danach, das sich über mehr als tausend Jahre hinzieht. In drei Storylines, in denen die Protagonisten jeweils von Jackman und Weisz gespielt werden, verfolgt man diese Suche. Im 16. Jahrhundert geschieht sie mit geistlicher Hilfe, im 21. Jahrhundert durch die Wissenschaft und dann, in der Zukunft, wiederum durch einen wunderlichen Baum. Ob dieses als benötigte Rückbesinnung der Menschheit auf naturelle, nicht-technische Werte gedeutet werden kann, bin ich mir nicht sicher.

Nun, nachdem das Hauptthema dargelegt ist, sollten nur diejenigen weiterlesen, die den Film gesehen haben. Während des Schauens änderten sich die Interpretationen in meinem Kopf. Zuerst dachte ich, die Frau des Wissenschaftlers hätte den Spanier erfunden, um in ihrer verzweifelten Suche nach einem Weg des Weiterlebens eine Hoffnung zu haben. Am Ende war ich begeistert, schockiert und überrascht: Die Aussage des Films ist eine andere, tiefergehende: Wir leben doch ewig. Sozusagen: Sterben ist nötig, um ewig zu leben. Wenn wir sterben, werden unsere Überreste von kleinen Organismen zersetzt und fließen wieder in den Kreislauf des Lebens mit ein. Wir leben ewig – als Teil der Natur. Klar geworden ist mir das, als der Spanier den Saft des Baumes trinkt, der ihm ewiges Leben verschafft. Anstatt tausende Jahre alt zu werden, wird er allerdings zu Gestrüpp, er vereint sich wieder mit der Natur, Neues entsteht durch seinen Zerfall. Ewiges Leben.

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Rezension

Mulholland Drive

[Dieser Beitrag ist nur für Leute empfehlenswert, die den Film “Mulholland Drive” gesehen haben, da er Interpretationen aufzeigt, Vorwissen verlangt und außerdem somit den Spaß am ‘Erste-Mal-Schauen’ zerstören würde.]

Ansehnliche Filme sind jene, dir mir zeigen, wie sie ausgehen und was sie bedeuten. Gute Filme sind jene, dir mir zeigen, was sie bedeuten, aber nicht zeigen, wie sie ausgehen, aber bei denen es nur eine Möglichkeit gibt. Meisterwerke sind jene Filme, die jedem Menschen etwas anderes bedeuten und die jeder Mensch anders ausgehen lässt.

Tja, worum geht es also in “Mulholland Drive”?

Gestern habe ich mir David Lynchs “Mulholland Drive” angesehen. Direkt danach habe ich einige Statements verfasst, noch bevor ich Sekundärliteratur zu Rate gezogen habe:

Ein Schlüssel zum Verständnis des Werkes liegt meiner Meinung nach im Besuch des Clubs “Silencio” (Stille). Dort sehen sich die Protagonistinnen zwei Nummern an: In der einen sagt ein Magier, alles sei eine Bandaufnahme und Illusion, bei der anderen wird die Sängerin ohnmächtig und hinausgetragen, ihre Stimme allerdings ertönt weiter – wie vom Band. Mit dem Band kann ein unaufhaltsamer Ablauf der Geschehnisse gemeint sein. Das Band läuft weiter. Doch das Band ist auch eine Illusion. Während man denkt, wirklich die Stimme der Sängerin zu hören, ist es nur Täuschung. Wie das Leben? Oder die Welt, in der sich die zwei Frauen befinden?

Wenig später habe ich von der Traum-Interpretation gelesen, die davon ausgeht, dass der erste Teil des zweigliedrigen Films das Wunschdenken von Betty ist. Klingt logisch. Aber ist es wirklich so einfach?

Heute Morgen, “Mullholland Drive” ließ mir einfach keine Ruhe, las ich Frank Wittchows Ansatz. Wittchow spricht von Schicksal, von Determinismus. Im Falle von Rita werde jedoch von diesem Drehbuch (vom Schicksal/Determiniertem) abgewichen, da sie beim Unfall hätte sterben sollen. Das Zufällige und das Determinierte seien kollidiert, wie Wittchow schreibt. Ihre Seele könne nicht, wie vorhergesehen, zurück in einen Pool aller Seelen (die Jitterbug-Szene zeigt uns den Pool), um von dort eine neue Reise ins Leben anzutreten. Der Unfall sei somit ein metaphysischer Unfall. Erst als Rita in Apartment 17 ihre tote Antipode entdecke, akzeptiere sie, dass sie tot sei und – verschwindet. Anschließend sei das Gleichgewicht wieder hergestellt – der zweite Teil des Films beginnt. Dieser stelle laut Wittchow eine Variante des Drehbuchs des Lebens dar. Es gebe somit nicht “Traum” und “Realität”, wie in den Theorien vieler anderer, sondern es sind Änderungen des Drehbuchs. Die alten Leute, mit denen Betty seit dem Jittwerbug-Sieg zusammen ist und die sie am Ende in den Selbstmord treiben, seien laut Wittchow Seelenbegleiter.

So. Spannende Theorie. Betonung Theorie. David Lynch sagt nicht, worum es in dem Werk wirklich geht. Und deshalb ratet, in welche Kategorie meiner oben beschriebenen Qualität von Filmen “Mulholland Drive” passt…

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