Das Internet geht nicht mehr weg

Museen, die Besuchern fotografieren verbieten, verstehen ihre Aufgabe nicht.

Das letzte Mal, wo ich mich darüber aufgeregt habe, dass in einem Museum fotografieren nicht gestattet ist, war ich im Vincent-van-Gogh-Museum in Amsterdam. Am gleichen Tag besuchte ich bereits zwei weitere Museen, das Rijksmuseum und das Stedelijk Museum — und habe meine Eindrücke jeweils auf Instagram geteilt.

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Instagram ist als Foto-Community natürlich dafür bestens geeignet. Diese Art der Kommunikation verwurzelt sich derzeit immer tiefer in unsere Kultur. Fotografie- und Kunstbegeisterte greifen auf eine Technologie zurück, die sich in ihrer Hosentasche befindet und einfache Teilbarkeit erlaubt. Wer teilt, teilt sich mit. Er zeigt natürlich einerseits seine Leidenschaft zum Dargestellten. Aber wer teilt, macht auch anderen zugänglich und provoziert Kommentare. Ein Diskurs entsteht.

Das führt uns zur Aufgabe von Museen. Sie sollen Kunst der Allgemeinheit zugänglich machen, Menschen künstlerisch bilden und Debatten auslösen. Ich würde daher argumentieren, dass Museen, die ihren Besuchern Fotografie verbieten, ihren eigenen Auftrag nicht verstehen.

Selbstverständlich, Blitzlicht kann Gemälden schaden und laute Klickgeräusche beim Auslösen von Smartphone-Kameras sind nervig, aber beides kann unterbunden werden, ohne Fotografie generell zu verbieten. Unabhängig davon, dass solche Verbote praktisch nicht funktionieren, wie eine Museumsdirektorin erklärt.

Was spricht also aktuell dagegen? Urheberrecht ist sicher ein Aspekt – urheberrechtliche Schwierigkeiten können allerdings durch ein No-Photo-Symbol an den betreffenden Bildern gekennzeichnet werden. Der Vorwurf, dass nur noch eine Betrachtung der Kunst durch eine Linse stattfände, ist nicht technologisch, sondern bestenfalls durch die Fotografierenden bedingt. Ich bin außerdem nicht der Meinung, dass Menschen weniger häufig Museen besuchen werden, je mehr die ausgestellten Werke öffentlich gemacht werden – eher im Gegenteil kann dadurch erst ein Bedürfnis geweckt werden.

Ein paar erste Vorschläge, was Museen tun könnten, um ihrem Auftrag gerecht zu werden: Besuchern ein offizielles Hashtag vorgeben, interaktive Rundgänge auf ihrer Homepage (Google Streetview innerhalb eines Museums), durch QR-Codes, eine eigene App oder Augmented Reality die Werke zum Leben erwecken und mit weiterführenden Informationen anreichern.

Museen müssen im 21. Jahrhundert ihren Besuchern Werkzeuge an die Hand geben oder zumindest erlauben, sich selbst weiterzubilden, in den Diskurs treten zu können und die Ausstellungstücke zum Leben zu erwecken.

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9 thoughts on “Museen, die Besuchern fotografieren verbieten, verstehen ihre Aufgabe nicht.

  1. Mynnia says:

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das größtenteils einfach daher kommt, dass Blitz zu oft vergessen wird auszuschalten und das Risiko einfach zu hoch ist, dass da was durchs blaue Licht kaputt geht. Restauration kostet ja einiges. Kenne das von Zoos und begehbaren offenen dunklen Fledermaushallen, wo die Tiere mehrmals täglich geblendet werden von sowas, trotz Verbot.

  2. Tilo Timmermann says:

    Das Museum ist der Ort, wo ich Kunstwerke ungefiltert und echt erleben kann – das kann kein Foto ersetzen. Im Gegenteil: Als ich letztes Jahr in den Uffizien war und mich hinten anstellte, um über die Schultern der Menschenmenge die Bilder zu betrachten, sah ich nur Bildschirme vor mir, das Gemälde war verdeckt. Absurd war auch, dass viele Menschen sich nur mit dem Rücken zum Bild stellten, ein Selfie schossen und weiterzogen. Selfies kannste auch draußen mache, stehste mir nicht im Weg.

  3. Hallo Timo,

    Das ist schon anstrengend mit den Museen. In Mecklenburg-Vorpommern hab ich jetzt Urlaub gemacht und mir ein paar Museen angeschaut. Da muss man schon aufpassen:
    – Heimatmuseum Warnemünde: alles fotografierbar
    – Schifffahrtmuseum Rostock: teilweise frei, die Ausstellung im Rumpf des dortigen Schiffes ist nicht erlaubt
    – Schloss Schwerin und kulturhistorisches Museum Rostock mit Obolus

  4. @Myannia: Na gut, Tiere und Gemälde sind schon noch zwei verschiedene Dinge, aber das mit dem Blitz stimmt wohl. Trotzdem glaube ich, dass man mit “No Flash”-Schildern und geschultem Personal (Blitz ausstellen bei verschiedenen Smartphone-Modellen & Kameratypen) etwas erreichen könnte

    @Tilo: Wer sich im Museum nicht mit der Kunst beschäftigen will, wird sich auch anders ablenken können als durch Selfies.

    @Jana: Danke für den Link!! Das ist ja großartig.

    @Henning: Super Liste. Danke!

  5. Dahie says:

    Erstmal, ich finds doof Erwartungen oder Vorgaben zu machen, wie ein Museumsbesuch “richtig” angegangen wäre. Wenn Menschen nicht 10min kontemplativ vor jedem Exponat stehen und Selfies machen, ist das genauso ok, wie die stille Grüblerin.

    Zum Post, nachdem ich lange auch für erlaubte Fotografie in Museen war bin ich gerade unsicher. Ich bin dafür, weil ich in Ausstellungen oder Museen gehe um Dinge zu erfahren – Eindrücke, Gefühle, Stimmungen – und letztlich mich davon inspirieren zu lassen. Ist diese Inspiration da, will ich sie speichern, erinnern und wieder herstellen können und da ist ein Foto das Schnellste. Dabei ist die Qualität sogar egal, weil es als Notiz fungiert.
    Umgeschwenkt bin ich nach kürzlichen Besuchen der Orangerie und des Museo d’Orsay in Paris, wo Fotografieren erlaubt ist und die Besucherinnen es auch teils exzessiv betreiben. Auch ohne Blitz ist es ein bisschen Anstrengend ständig Rücksicht zu zeigen, nicht ins Bild zu rennen und Abstand zu geben. Es unterbricht die Ruhe, die viele Museen ausstrahlen und wirkt dadurch stark auf die Stimmung vor Ort.

  6. Pingback: Das Vasamuseum in Stockholm. | Leben mit Untertiteln

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