Rezension

Das Vasamuseum in Stockholm.

Nachdem ich vor einigen Wochen über die Aufgaben eines guten Museums schrieb und die Gründe dafür, dass ich finde, eine fotografische Auseinandersetzung mit dem Gezeigten muss dazu gehören, möchte ich heute etwas ins Detail gehen und an einem konkreten Beispiel zeigen, wie für mich großartige Museen aufgebaut sein können.

Letzte Woche war ich in Stockholm und wie es sich für jemanden, der die schwedische Sprache lernt und für die skandinavische Kultur und Geschichte interessiert, gehört, stand ein Besuch im Vasamuseum an. Das Museum liegt auf der Insel Djurgården, wo auch viele andere Museen beherbergt sind. 

Das Museum eröffnete 1990. Um direkt zum Punkt zu kommen: Bereits die Geschichte dieses nicht ganz herkömmlichen Museums hat es in sich und lädt ein, sich mehr damit zu beschäftigen. Das Vasamuseum wurde um das gleichnamige Schiff, die Vasa, herum gebaut, das hier im Dock lag. Das Gebäude entstand also um das dort liegende Schiff herum. 

Doch dass dieses Schiff, mehr als 300 Jahre alt, überhaupt im Stockholmer Hafen über einer Millionen Menschen ausgestellt werden kann, ist ebenfalls nicht ganz unspektakulär. Denn die vasa sank 1628, bei ihrer Jungfernfahrt. Eine nationale Katastrophe für Schweden und die eigenen Ansprüche, eine große Seemacht zu sein. Über mehr als drei Jahrhunderte geriet das Wissen um ihren genanten Aufenthaltsort in Vergessenheit.  

Bis zu den 1950ern, als Anders Franzén auf der Suche nach der Vasa aus dem Stockholmer Hafen eine Probe an die Oberfläche holte, die auf ein mögliches Schiffswrack an Grund hinwies. Wie sich darauf herausstellte, war die Vasa gefunden. In einer atemberaubenden Bergungsaktion mit mehreren Jahren Vorbereitung wurde das Schiff an die Oberfläche gehoben und in ein Dock gebracht, hier über mehrere Jahre restauriert und schließlich, von einem Museum ummantelt, den Besuchern zugänglich gemacht.

Der erste Blick beim Betreten des riesigen Raumes fällt direkt auf das Herzstück des Museums: die Vasa. Der Besucher wird zuerst in ein kleines Kino geführt, wo auf Schwedisch eine kurze, lohnenswerte Dokumentation läuft, die knapp historische Zusammenhänge erläutert und die spektakuläre Bergung thematisiert (es gelingt auch mit Deutsch- und Englischkenntnissen, genug verstehen; stündlich gibt es zudem eine Vorführung mit englischen Untertiteln).

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Wer nicht an einer der mehrsprachigen, kostenlosen Führungen teilnehmen will, schlendert allein durch die mächtige, mehrstöckige Halle. Mehrere Ausstellungen fokussieren sich auf Einzelbeispiele rund um Bau, Leben zur Zeit der Vasa, Personen an Bord, den König und — natürlich — die Bergung (samt wissenschaftlicher Fakten zur Konservierung).

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Die Ausstellungen sind jeweils involvierend und fordern verschiedene Sinne. So gibt es neben einem Raum, in dem man dem Schwedisch im 17. Jahrhundert Zeit lauschen kann und einem Computerterminal, um etwas über damals übliche Frachtgüter zu lernen, auch anfassbare Waffenrepliken. 

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Die Ästhetik und Form der Visualisierungen von Informationen regt zum Einprägen an und macht Spaß, sich wirklich mit der Geschichte zu befassen. 

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Auch kann man in einen Nachbau der Vasa direkt hineingehen und sich so selbst einen Eindruck machen, wie Kapitän und Besatzung in der Vasa hausen sollten bzw. in der entsprechenden Zeit generell in Marineschiffen gelebt haben.

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Um nach Abschluss des Besuchs noch das perfekte (wenn auch nicht ganz individuelle) Foto zu schießen, wurde eigens eine Art Podest erreichtet.

Das Großartige ist die Vielfalt an Themen, über die man etwas lernt: Leben in Schweden und Europe im 17. Jahrhundert, Schiffsbau, Ingenieurskunst, den Salzgehalt der Ostsee, Konservierungsmethoden, hum nur eine Auswahl zu nennen.

Und das alles für 130 SEK, umgerechnet (Wechselkurs 15.08.2015) 13,74 EUR — der Preis eines Buffet-Mittagessens in Stockholm. Kinder bis 18 Jahre haben sogar freien Eintritt. 

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