Denkt niemand an die Tiere?

Veganes Leben: Wo den Schnitt ziehen?

Vegan leben, was heißt das eigentlich genau? Bei Fleisch, Milch und Ei sind sich selbstverständlich alle Veganer einig, bei Honig beginnt die Diskussion ab und an, doch auch hier herrscht überwiegende Einigkeit.

Orangensaft oder Wein, der mit Gelatine geklärt wird? Bienenwachs in Kosmetikartikeln? Ein Schweineborstenpinsel in einer Fabrik?

Unternehmen, die zwar vegane Produkte die nicht an Tieren getestet wurden anbieten, aber gleichzeitig Produkte im Sortiment haben, für die sehrwohl Tierversuche durchgeführt wurden?

Man merkt, es wird kleinteiliger und lässt sich für den Konsumenten schwerer beurteilen, je weiter man sich von den Produkten Fleisch, Käse oder Ei entfernt.

Die Frage ist: Wo sollte man einen Schnitt ziehen? Manchmal stellen mir andere Menschen diese Frage, doch vor allem muss ich mir diese Frage selbst stellen.

Es gibt einige Veganer, die versuchen nicht bei Unternehmen zu kaufen, die in irgendeiner Form mit der Industrie zusammenhängen, die sie selbst boykottieren.

Das ist ziemlich radikal, wenn auch in der Theorie nur konsequent. Logischerweise müsste man dann nicht nur produzierende Unternehmen (auch schwierig, doch verhältnismäßig noch einfacher), sondern auch verkaufende Unternehmen meiden, die mit dieser Industrie Geschäft machen. Schließlich verdienen Supermärkte oder Restaurants, Kioske und Cafés ebenfalls an Produkten, die Veganer ablehnen. (Klar, es gibt vegane Supermärkte und Cafés, doch aktuell, März 2013, sind diese noch nicht so weit verbreitet, dass es logisch wäre und logistisch sinnvoll, nur diese zu besuchen. Ebenso wenig führen diese ein Vollsortiment, sodass man trotzdem auf den Einkauf bei anderen Geschäften angewiesen wäre.)

Ich sehe es eher pragmatisch: Wenn ich in den Supermarkt gehe, treffe ich Entscheidungen. Jedes gekaufte Produkt ist eine Meinungsäußerung. Für oder gegen Käse. Für oder gegen Eier. Dadurch, dass ich mich – und mit mir ganz viele andere – ‘dagegen’ entscheide, entscheide ich mich für Alternativen: Tofu, Seitanschnitzel, Wilmersburger, Bio und so weiter.

Der Supermarkt bestellt von diesen Produkten mehr – anders: er ist wirtschaftlich gezwungen, mehr davon zu beziehen, da er gewinnorientiert ist und ihm diese Produkte diesen versprechen.

Für jede vegane Kosmetik (etwa mit Beerenwachs statt Bienenwachs) signalisieren die Konsumenten den Herstellern anderer Kosmetik (welches sogar am Ende dieselben sein mögen): Wir bevorzugen Kosmetik ohne Leid. Wenn ihr mitverdienen wollt, dann werdet Teil dieser veganen Kosmetik.

Ergo: Sie produzieren diese vermehrt. Und – Vorteil – im Umkehrschluss weniger der anderen Kosmetik.

Peter Singer schrieb in Animal Liberation treffend: Die Eliminierung von Tierprodukten »will come when a significant section of the population is boycotting meat and other factory farm products.«

Deshalb kaufe ich Alpro, obwohl diese zu Dean Foods gehören. Kaufe Alverde (bei dm oder Budni) und Alterra (bei Rossmann), obwohl diese von den Dalli-Werken hergestellt werden. Gehe zu Rewe und auch in nicht-vegane Restaurants.

Und versuche, Unternehmen – wenn schon nicht ethisch – so durch meine Entscheidung zumindest ökonomisch zu beeinflussen.

Wir sind in der Lage, jeden Tag mit unseren Entscheidungen zu zeigen, dass wir nicht mitmachen.

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